Erwachsenenbildung statt Klosterleben
Schule für Dorf- und Landentwicklung Thierhaupten im Porträt

(5. Dezember 2023, Thierhaupten) Wo früher klösterliches Leben den Alltag prägte, haben heute überregionale Einrichtungen ihren Sitz. Die ehemalige Benediktinerabtei Thierhaupten beherbergt neben Außenstellen des Bezirks Schwaben, des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege oder des Bayerischen Bauarchivs auch die Schule der Dorf- und Landentwicklung e.V. (SDL). Wer sich beruflich nicht damit befasst, wird dieses Forum für Fragen der Ländlichen Entwicklung kaum kennen. Die Geschäftsführerin des Vereins Theresa Schäfer verrät im Interview, was sich hinter der Schule verbirgt.

Frau Schäfer, um was für eine Schule handelt es sich bei der SDL?

Die SDL Thierhaupten begleitet seit über 30 Jahren ländliche Kommunen in allen Entwicklungsfragen. Sie führt Kommunalpolitikerinnen und -politiker, Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute aus einer Gemeinde oder einer Region zusammen. In moderierten Klausuren und maßgeschneiderten Workshops erarbeiten die Beteiligten die zukünftige Ausrichtung oder ein bestimmtes Vorhaben in ihrem Ort. In Fachseminaren und -exkursionen zu aktuellen Fragestellungen der Kommunalentwicklung wird das nötige Fachwissen und praktisches Handwerkszeug vermittelt. Außerdem unterstützt die SDL Ämter für Ländliche Entwicklung. Träger der SDL ist der gemeinnützige, eingetragene Verein „Schule für Dorf- und Landentwicklung Thierhaupten“.

1991 entstand die revolutionäre Gründungsidee: Die Menschen vor Ort sollen in der Bayerischen Dorferneuerung aktiv beteiligt werden, sie sollten mitdenken, mitarbeiten und mitentscheiden. Bis dahin fehlte aber eine Institution, die entsprechendes Wissen zur Befähigung der Bürgerinnen und Bürger sowie ihrer behördlichen Partner vermittelte. Mit der SDL wurde diese Lücke auf einmalige Weise geschlossen.

Wer kann die Angebote nutzen?

Im Grunde alle Menschen, die sich auf dem Land im Sinne des Gemeinwohls für ihren Ort und ihre Region engagieren. An die SDL Thierhaupten können sich alle schwäbischen und oberbayerischen Gemeinden wenden. Dabei sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unsere direkten Ansprechpersonen, aber auch Gemeinderäte und Teile der Kommunalverwaltung sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger zählen zu unserem Teilnehmerkreis. Hinter dieser breiten Zielgruppe steckt die Erkenntnis, dass die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten funktionieren muss, sonst könnten die Entwicklungsprozesse nicht erfolgreich umgesetzt werden.

Welche Inhalte vermitteln Sie?

Die Inhalte richten sich nach den jeweiligen Anliegen der Kommunen. Dabei kann es zur Halbzeit der Wahlperiode darum gehen, Bilanz im Gemeinderat zu ziehen und auszuarbeiten, wo nachjustiert werden muss. Die kommunale Energieplanung oder wie bedarfsgerechter Wohnraum geschaffen und mit den Flächen schonend umgegangen werden kann, beschäftigen zahlreiche Gemeinden an der SDL. Auch das Zusammenleben im Ort und gelungene Bürgerbeteiligung sind Themen. Manchmal muss der Gemeinderat auch als Team zusammenfinden oder eine konfliktreiche Situation geklärt werden.

Entscheidet sich eine Gemeinde mit dem Amt für Ländliche Entwicklung beispielsweise ein Gemeinde- oder Innenentwicklungskonzept zu erarbeiten, beginnt die strategische und inhaltliche Ausrichtung an der SDL. Bei der Gründung eines interkommunalen Verbunds in der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) finden die beteiligten Gemeinden in einem unserer Seminare heraus, ob und in welchen Bereichen eine fruchtbare Zusammenarbeit stattfinden kann.
In Seminaren geht es aber auch darum, wie in kleinen Kommunen die Öffentlichkeitsarbeit gelingt, wie die Gemeinderatssitzung zielführend moderiert oder die Ortsgeschichte erlebbar wird.

Sie unterstützen auch bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen. Wie sieht diese Unterstützung aus?

Nehmen wir zum Beispiel ein leerstehendes, ortsbildprägendes älteres Gebäude. Dazu tauchen viele Fragen auf, etwa zu den Nutzungsmöglichkeiten, zu baulichen Anpassungen und dem Ortsbild, zur Finanzierung oder wer in das Projekt einbezogen werden muss. In einem maßgeschneiderten Workshop mit Gemeinderat und anderen relevanten Akteuren werden diese Fragen und weitere Bedarfe geklärt. Unter fachkundiger Moderation werden Perspektiven, Potenziale und Risiken ermittelt. Außerdem wird ein gemeinsamer Fahrplan für das Projekt erstellt, mit dem die Teilnehmenden in die Umsetzung gehen können.

Was sind Ihre konkreten Aufgaben als Geschäftsführerin?

Neben meinen klassischen Aufgaben in der Leitung der Geschäftsstelle, der Organisation des Seminarbetriebs und der Unterstützung des Vereinsvorstands, sehe ich im Zuhören eine meiner wichtigsten Aufgaben. Ich nutze jede Möglichkeit, mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie Fachleuten ins Gespräch zu kommen. Dabei erfahre ich, wo die Probleme und Herausforderungen liegen.

Wie schätzen Sie die Zukunft des ländlichen Raumes ein?

Ländliche Räume sind jenseits jeglicher romantischer Vorstellung attraktive Lebensräume, Arbeits- und Wohnorte für viele Menschen, sie sind Keimzelle für soziale und technologische Innovationen, sie nehmen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung vieler gesamtgesellschaftlicher Herausforderungen ein, hier sei nur die Energiewende genannt.

Selbstverständlich gibt es zahlreiche Herausforderungen, die oftmals komplexe Lösungen verlangen. Dass ländliche Gemeinden diese mit Unterstützung und Anregungen bewältigen können, zeigen die positiven Beispiele: Die Gemeinde Wildpoldsried im Allgäu begann vor über 20 Jahren sich in Sachen Energie erfolgreich unabhängig zu machen. Ein Beispiel vielfältiger Wohnraumschaffung findet sich in der Gemeinde Weyarn auf einem ehemaligen Klostergelände.

Wie reagieren Sie mit ihrem Programm darauf?

Es braucht einen Ort, an dem die Saat für diese zukunftsweisenden Wege gesät wird und keimen darf. An der SDL werden die spezifischen Probleme und Chancen in der eigenen Gemeinde, der Region thematisiert, inhaltliche und rechtliche Entscheidungsgrundlagen vermittelt und an umsetzbaren Strategien und Lösungen gearbeitet. Hier werden gedankliche Experimente unternommen, um die Perspektiven zu erweitern, diese werden sachlich auf ihre Realisierbarkeit geprüft und der Weg in die konkrete Umsetzung vorbereitet. An der SDL werden damit die Grundlagen geschaffen, damit die Kommunen selbstbestimmt und vorausschauend agieren können.

Die Veränderungsprozesse in ländlichen Gemeinden sind nur zu schaffen, wenn möglichst viele an einem Strang ziehen und Entscheidungen mittragen. Die Menschen fordern heute zurecht ein, mitgestalten zu können, wohin sich ihre ländlichen Lebensräume entwickeln. Unsere Aufgabe besteht daher auch darin, das demokratische Potenzial in den Kommunen zu fördern und die Grundlagen für die gemeinsame Willensbildung zu schulen.

Worin sehen Sie heute und in Zukunft die Herausforderungen bei ihrer Arbeit?

Die Kommunen haben immer vielfältigere und komplexere Aufgaben. Zudem sehen sich einige Gemeinden mit finanziellen und personellen Engpässen konfrontiert. Das spiegelt sich auch bei uns wieder. Die SDL muss sich mit immer vielschichtigeren und kurzfristig drängenden Anfragen befassen. Das erfordert viel Flexibilität in der Geschäftsstelle aber insbesondere eine laufende Qualifikation der Moderatorinnen und Moderatoren, zeitgemäße Methoden und Formate sowie die Erweiterung unseres Kompetenz-Netzwerks, das wir den Kommunen zur Seite stellen.

Wie ordnen Sie die Bedeutung der SDL für die Ländliche Entwicklung in Bayern ein?

In der Arbeit der Ländlichen Entwicklung ist es ein nicht mehr wegzudenkender Ansatz, mit den Bürgerinnen und Bürgern zu planen. Mit der SDL haben die Ämter der Ländlichen Entwicklung eine Partnerin, die diese Aufgabe kompetent umsetzt und den Anforderungen der Zeit entsprechend weiterentwickelt.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Schule der Dorf- und Landentwicklung Thierhaupten e.V. (SDL)

Blick auf den Haupteingang des Klosters

Foto: Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern

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Ansichts eines Trakts und der Kirche des Klosters

Foto: Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern

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Schild gibt Hinweis auf die Schule

Foto: Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern

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